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Organisationen können genauso ausgebrannt sein, wie Individuen. Was auf dem ersten Blick befremdlich wirkt habe ich leider bereits oft in Unternehmen erleben müssen. Symptome wie Erschöpfung, Energiemangel, Entscheidungsunfähigkeit, Gleichgültigkeit, Desillusionierung, Verzweiflung u.v.a.m. kennzeichnen einen Burnout.

Gustav Greve definiert in seinem Buch „Organizational Burnout“ diesen Zustand bei Unternehmen wie folgt:

Ein Organizational Burnout liegt dann vor, wenn sich ein aktives Organisationssystem […] in einem erschöpften und paralysierten Zustand befindet und mit eigenen Ressourcen diesen, als unerwünscht erkannten, Zustand nicht mehr positiv verändern kann.

Wie wird ein Organizational Burnout erkannt?

Wenn du nun auf dein eigenes Unternehmen schaust, ist die Frage, woran du erkennst, dass bei euch ein Organizational Burnout vorliegt. Die Definition von Gustav Greve gibt schon erste Hinweise.

In der ersten Phase, dem latenten Organizational Burnout, wird die Sinnfrage nicht mehr vom und für den Markt beantwortet. Langsam und schleichend nimmt die Produktivität in der Organisation ab. Es wird zusehends mehr Energie und Zeit für interne Fragestellungen, Themen und Anforderungen aufgewendet. Der Fokus auf die Bedürfnisse des Kunden geht verloren. Ressourcen werden knapper und die Beteiligten wissen leider nicht genau warum. Alles funktioniert trotz, aber nicht wegen des Managements.

Im akuten Organizational Burnout, der zweiten Phase, machen sich Unsicherheiten in allen Ebenen breit und der Anspruch von jedem an jeden steigt. Die Dynamik geht verloren. Als besonderes Symptom werden häufig eine zynische Grundstimmung gegenüber Unternehmen und Kolleg:innen wahrgenommen. Eigenes Engagement wird nur simuliert. Selbst kleine Innovationen finden nicht mehr statt.

Im chronischen Organizational Burnout, der dritten Phase, schotten die Führungskräfte sich vom Tagesgeschäft ab. Es kommt zu überraschenden Wechseln im Management. Es macht sich auf allen Ebenen ein Gefühl der Sinn- und Machtlosigkeit breit.

In der vierten Phase, dem letalen Organizational Burnout, erreichen die Führungskräfte die Mitarbeitenden nicht mehr. Es entsteht eine diffuse Sehnsucht nach einem Neustart, einem „Big Bang“ des Neubeginns. Unbewusst wird der Organisationssuizid geduldet. Hoffnungslosigkeit hat sich in allen Ebenen breit gemacht.

 

Was sind die Folgen eines Organizational Burnout?

Das Unternehmen muss nun verkraften, dass Leistungsträger gehen und die verbliebenen Mitarbeitenden innerlich kündigen. Know-how wird verloren und die Leistungsbereitschaft geht zurück. Der erste Schritt in den Abgrund.

Die Abwärtsspirale beginnt sich zu drehen. Erfolge bleiben aus, wodurch häufig die Energie und das Charisma der führenden Person schwinden. Das obere Management taucht immer mehr ab. Das mittlere Management erhöht gleichzeitig seine Ansprüche nach konsequenter Führung. So entsteht oftmals Aktionismus, der mit Führung verwechselt wird, oft ohne wirksame Strategie. Dies führt zu falschen Entscheidungen und Missmanagement.

In der Entstehungsphase des Burnouts wird viel Energie für die ständige Selbstorganisation unter Stress verbraucht. Innovationen sind nahezu unmöglich. Es fehlen kreative Ideen zur Lösung der bestehenden Probleme. Unternehmen tauschen dann schlussendlich oftmals das Top-Management aus, um ein einen Neubeginn zu signalisieren. Die neuen Manager:innen prallen auf eine ausgebrannte Organisation und können die Probleme ebenfalls nicht bewältigen.

 

Typische Ursachen des individuellen Burnout Analoge Ursachen des organisationalen Burnout
Labiles Selbstbewusstsein Unsicherheit in der Marktakzeptanz
Persönliches Perfektionsstreben Übersteigerter Qualitätsanspruch
Beruflicher oder gesellschaftlicher Ehrgeiz Unrealistische Leistungsvorgaben
Der Wunsch, persönliche Defizite auszugleichen Unqualifizierter Wettstreit mit nachhaltig überlegenen Konkurrenten
Ziel- und Aufgabenunsicherheit Unspezifische Ziele und fehlende Konkretisierung
Differenz zwischen den persönlichen Werten und der Wertigkeit der Aufgabenstellung Wertearmut des Unternehmensleitbildes, Sinn des Unternehmens allein materiell orientiert
Soziale Instabilität und fehlendes Feedback Hohe Fluktuation und wenig aktive Bewerbungen
Angst vor den negativen Konsequenzen eigenen Versagens Angst vor Verlust des Vertrauens des Kapital- und Absatzmarktes
Verantwortungseinsamkeit Isolation der mittleren Führungsebene zwischen den Hierarchien
Gesellschaftlicher Druck, den Erwartungen genügen zu müssen Ergebnisdruck von den Kunden, Eigentümern oder der Öffentlichkeit

[Quelle: Tabelle 1.2 aus „Organizational Burnout“ von Gustav Greve, 2010, S.39]

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Therapie gegen Organizational Burnout

Ein Neustart im Führungsteam und darüber hinaus ist angezeigt. Dabei müssen jedoch folgende kulturellen Prinzipien gelten, so Greve, ansonsten ist der Neustart zum Scheitern verurteilt:

  • Gemeinsame ehrliche Anerkennung, dass eine Therapie notwendig ist
  • Offene Diskussion der Sinnfrage der Organisation
  • Idealerweise gemeinsame Beantwortung
  • Konsequenter und sichtbarer Neustart der Führung
  • Jeder Einzelne und jede Einzelne sind bestrebt Teil der Lösung zu sein
  • Interner Wettbewerbsdruck wird beendet
  • Der Umgang miteinander ist von Toleranz und Vertrauen geprägt
  • Optimismus wird zum Prinzip erklärt
  • Es wird professionell, konsequent, verlässlich und diszipliniert gehandelt
  • Zynismus wird durch eine zuversichtliche Stimmung ersetzt
  • Konzentration auf das Machbare (gut ist gut genug)
  • Stabilität ist wichtiger als Profitabilität
  • Geduld: Schritt für Schritt und mit ruhiger Hand

Ähnlich wie betroffene Personen kommen Organisationen i.d.R. nicht selbständig aus dem Burnout heraus. Suche dir Hilfe für deine Organisation, wenn du das Gefühl hast, dass deine Organisation betroffen ist.

Michael Hollmann

Dieser Beitrag basiert auf dem Buch „Organizational Burnout“ von Gustav Greve.

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